31. Mai 2010

Mysore, Partys, Pondicherry

Hallo,

Ade Coimbatore. Am Freitag werden wir Coimbatore verlassen und unsere Reise beginnen. Sieben abenteuerliche Wochen liegen nun vor uns, bevor wir Ende Juli wieder in Deutschland sein werden.
Da können wir ja auch gleich mal unsere Wiedersehens-Party ankündigen:
am 31. Juli, traditionell im Liberacion.
(Die Leute von außerhalb Berlin: wäre cool, wenn ihr es schafft, zwei, drei Tage länger zu bleiben, damit man ein wenig mehr von einander hat.)

Wie meistens, wenn man ein Ort wieder verlässt, ist es traurig, weil grade dann die beste Zeit begann und man noch bleiben würde. Obwohl es nicht nur schönes gab: der heißeste Sommer seit 35 Jahren (41° C im Schatten) ließ nicht nur uns schwitzen. Viele Einheimische kamen auch nicht klar und wurden reihenweise krank.
Die Tage sind hier übrigens immer noch ungefähr gleich lang wie im Winter, es gibt keinen Unterschied. Haben wir auch erstmal nachlesen müssen:
„Die mittlere Tageslänge übers Jahr gesehen ist an jedem Ort auf der Erde gleich“, d.h. JEDER Ort auf der Erde bekommt gleich viel Helligkeit ab, nur die Verteilung auf die Jahreszeiten ist unterschiedlich...

Die letzten Wochen waren aber nochmal total schön, vor allem weil wir mit ein paar von Lauras Kursteilnehmern mehr Kontakt hatten. Alles Leute der upper class, die ziemlich modern/westliche Lebenseinstellungen haben, d.h. man konnte z.B. Bars oder Partys besuchen, wie bei uns auch.
Unfassbar war deren Einkommen. Die meisten haben eigene Unternehmen und verdienen so 6000 – 8000 EUR im Monat, manche Väter oder Bekannte 800.000 EUR!!! Das da Geld überhaupt keine Rolle spielt, versteht man dann sofort...

Dementsprechend teuer sind auch die Barbesuche (ein Glück werden wir immer eingeladen). Am Ende sind alle total betrunken und die Stimmung ist genau wie bei uns. Hat echt Spaß gemacht und wir haben gemerkt, wie doll es uns fehlt.
Einmal waren wir in Sidarths Apartment, das er extra hat, damit man sich dort heimlich treffen und Partys feiern kann. Das die Miete dafür das doppelte indische Durchschnittsgehalt kostet ist halt so. Lustig war, dass selbst dort alle eine Zeit hatten, zu der sie zu Hause sein müssen. Eine Architektin, die in New York studiert hat und nun hier ein Büro hat, 10.000 EUR im Monat macht, musste um 23.00 Uhr daheim sein. Die meisten anderen um Zwölf. Als ihre Eltern dann um 0.15 Uhr anriefen, waren aber alle schon zu betrunken, um elterliche Ratschläge zu befolgen. Das gibt dann wohl Ausgehverbot für die nächste Zeit :-) Ist besonders lustig, wenn man sich dann Fotos von ihrem Leben/Partys in New York anguckt...

Zum Status gehören natürlich auch teure Autos - und da Fahren Spaß macht, haben sie keinen Chauffeur, sondern fahren selbst. Auch nachts, nach einer Party. Man hat ja das Geld, wenn man mit 120 km/h angehalten wird, die Polizei zu bestechen...

Als wir sie gefragt haben, ob sie denn auch normale oder ärmere Leute als Freunde haben, meinten sie, nein, sowas gehört sich nicht. Nach der Grundschule findet hier in Indien (v.a. im Süden) eine sehr sehr starke Trennung der Schichten statt. Jede Community bleibt ab da so ungefähr unter sich. Wobei sich das bei den jungen Leuten auch ändert, aber da immer noch die Großeltern das Sagen haben...

Obwohl sie echt – nach westlichen Maßstäben – aufgeklärt und fortschrittlich sind (Bildung, studieren im Ausland, weltweite Reisen etc.), müssen auch sie den Dingen hier folgen, auch wenn sie es nicht wollen. Das heißt, Beziehungen vor der Ehe und solche Sachen sind auch für sie tabu, aber vor allem der Status der Frau ist immer noch merkwürdig. Sie kommen so gut wie nie irgendwo hin mit, in Bars oder so...

In Indien kennt jeder jeden über tausend Ecken, der Cousin seiner Cousine usw. Die Eltern wissen, dass ihre Kinder trinken und rauchen, aber der Respekt gebietet es nicht, es vor ihren Augen zu tun. D.h. wenn man also was trinken geht, muss man immer erst den Raum abchecken, ob einer der vielen Bekannten auch da ist und sich dann gegebenenfalls so hinsetzen, dass man sich nicht sieht...

Bei Urlauben und Fahrten in andere Städte ist aber dafür der Vorteil, dass man immer jemanden kennt, bei dem geschlafen wird. Gilt im Nachbardorf und für diese Leute dann halt in London, Paris und New York. Über die Verwandten, die zu Besuch kommen, erhalten die Familien übrigens auch immer die neuesten Sonnenbrillen und Parfüms...

Einige von den Kursteilnehmern werden demnächst anfangen in Deutschland zu studieren oder ihren Ehemännern nachziehen. Sind wir ja gespannt, wie sie sich so einleben. Aber so sehen wir ja auch ein paar wieder...


Aus Niewos Touristensache ist natürlich nichts geworden, hat sich nie mehr gemeldet. Lustig ist daher auch, dass man immer wieder mal gefragt wird, ob man denn nicht in Deutschland ins z.B. Modegeschäft einsteigen will. Oder in den Möbelimport. Niewo versucht dann immer zu erklären, dass die meisten in Deutschland Berufe gelernt haben und auch in diesem Feld arbeiten (in Indien ist egal, was du gelernt hast, man macht mal dies, mal das)...

Geschenke in Indien sind zu 90% Süßigkeiten und Kleidung. Zum Abschied bekam Laura dann also natürlich auch etwas. Vorher wurde sie „unauffällig“ gefragt „Was ist denn dein Hüftumfang?“ „Welche Farben magst du so?“ Laura: „Wollt ihr mir etwa auch einen Sari schenken?“ „Nee nee, bloß Interesse“ :-)

Da wir auf unserer Reise natürlich nicht alles mitschleppen können, haben wir vieles nach Deutschland geschickt. Das war auch nochmal eine Sache. Auf der Post wurde uns erst gesagt, den Koffer könnt ihr schicken. Dann war er aber zu schwer, also sollten wir ein paar Sachen in einen extra Karton packen. Es gibt auf der Post alles für Pakete zu kaufen, was man braucht – außer Pakete. Nun gut, woanders hin, Karton holen, wiederkommen, einpacken, zweiter Versuch. „Nee, der Koffer ist zu groß“ Es wurde vorher ja nur gewogen, nicht ausgemessen! Anstatt gleich beides zu machen… Ok, mehr Kartons, umpacken… Dann gibt man sein Karton an einen Helfer vor der Post ab, der macht ihn zu, wickelt ihn mit Schnur ein, dann mit Papier. Danach wird er nochmal eingenäht. Dauert mal eben 1,5 Stunden pro Paket. Dann übergibt man es der Post. Die näht es nochmal ein und packt es dann in einen Sack. Und, unfassbar, aber wahr: ein Paket kam nun schon an, nach nur einer Woche!

Wir haben zum Ende unsere Motorräder verkauft. Ein Glück ergab die Summe unserer Buchstaben und Zahlen auf dem Nummernschild zusammen hinten eine 5. Das lässt sich gut verkaufen, eine 5 bringt Glück. Bei einer 8 wäre das Bike unverkäuflich gewesen!

In Südindien gibt es übrigens keine Familiennamen, man bekommt den Namen des Vaters (und meist auch nur als Initialen) vor seinen Namen bzw. den Namen des Dorfes. Also Niewo wäre „E. Stephan“ oder „B. Stephan“, sein Sohn z.B. „S. Paul“...

Am Ende kurz zwei Fakten, die uns im Reiseführer grad mal auffielen:
1. Der Anteil der indischen Bevölkerung an gesamten der Weltbevölkerung: 17%, d.h. fast jeder fünfte Mensch ist ein Inder! Das muss man sich mal länger durch den Kopf gehen lassen
2. Familien, die in einer Ein-Zimmer (!!) Wohnung leben: 41%

Fotos 17: Mysore, Partys, Pondicherry


lg und bis bald, N+L


PS: wer noch Muße hat weiter zu lesen, der erfährt hier, wie es Niewo in Indien so auf dem Amt ergangen ist: LINK